material

DAY & TAXI Material

(Percaso 21)

Christoph Gallio: soprano & altosaxophone
Daniel Studer: double bass
Marco Käppeli: drums

Composed by Christoph Gallio. Recorded at Radiostudio Zürich, 2001 December 15 & 16 by Andy Neresheimer. Edited and mixed at Elephant Château Studio Basel by Max Spielmann. Mastered at Gallus Tonstudio St. Gallen by Johannes Widmer. Liner notes by Dominik Steiger. Text corrected by Dieter Lüdin. Foto inside by Beat Streuli. Graphic design by Anne Hoffmann. Cover Art by Peter Z Herzog

DAY & TAXI Material (Percaso 21): Das ist die Doublette zu “Private” (-> BA 20) und ging auch aus der gleichen Session Mitte Dezember 2001 hervor. Auch hier haben viele der Stücke, die Christoph Gallio an Soprano- & Altosaxophon mit seinen damals gerade neuen Rhythmuspartnern Daniel Studer, Jahrgang 1961 und in Zürich zu Hause, am Kontrabass und dem zehn Jahre älteren, in Aarau ansässigen Marco Käppeli am Schlagzeug einspielte einen bestimmten Anlass, einen persönlichen Bezug. ‘Bianca’ und ‘Yumi’ sind der Schriftstellerin Bianca Döring bzw. einer japanischen Lady in Paris gewidmet, ‘Manfield’ einem berühmten Komponisten, den man trotz Kopfstand unschwer erkennt.

‘Urs and Us’ entstand anlässlich des 50. Geburtstags von Urs Voerkel, ‘One for B’ als Ständchen zum 40. von Beat Streuli, usw. Die surrealen Covercollagen wurden vom Züricher Künstler Peter Z. Herzog beigesteuert, das noch bizarrere Prosagedicht’ Galionsfiguren, auswechselbar’ des Wieners Dominik Steiger paraphrasiert, als Linernotes verkleidet, jedes der 13 Klangmaterialhäufchen. Dabei zeichnet sich die Day & Taxi-Musik weniger durch überwirkliche und groteske Züge aus, denn durch durch eine kernige Markanz, die eckige Eleganz eines Fred Astaire, eine modernistisch quicke, zuckend prägnante Sophistication, deren poetische Genauigkeit oft erst im Nachhall bewusst wird und deren Tenderness in verträumteren Momenten nicht genug zu rühmen ist.

Gallios ‘Material’ wirkt wie immer enorm reflektiert, entschlackt, ‘in Form’, bei aller Quirkiness nie skurril um einer Skurrilität Willen, weil jede Bewegung in ihrem Zauber aus Logik und Frische nur ein Ziel zu kennen scheint – fröhliche Wissenschaft und natürliche Schönheit zum Tanzen zu bringen.BAD ALCHEMY, Rigobert Dittmann


Am diesjährigen Schaffhausener Jazzfestival
sorgte Christoph Gallio mit seinen Kollegen für einen Höhepunkt. DAY & TAXI nennt Gallio sein Trio, das seit gut fünfzehn Jahren in wechselnden Besetzungen besteht. Aktuelle Partner sind der Bassist Daniel Studer und der Schlagzeuger Marco Käppeli. Aber wer auch immer mitspielt – Gallio drückt seiner Band den Stempel auf. Er schreibt alle Kompositionen, und sein Saxophon-Sound bestimmt das Klangbild.

Christoph Gallio hat mannigfache musikalische Beziehungen nach Japan, und das ist seiner Musik anzumerken. Seine Kompositionen haben die Strenge von Haikus, mit ein paar wenigen Tönen vermag er eine Geschichte zu erzählen. Und so karg und lakonisch Gallio komponiert, so improvisiert er auch über seine Vorlagen. Da ist nichts zu viel, er spielt lieber zwei Töne weniger als einen mehr, bleibt immer dicht an der thematischen Vorgabe und lässt sie in neuem Licht erscheinen. Im kraftvollen Bassisten Daniel Studer und im wunderbaren und bei aller Freiheit immer swingenden Schlagzeuger Marco Käppeli hat Christoph Gallio zwei Partner, die seine Intentionen kompetent mittragen. DAY & TAXI spielt eine mönchisch strenge und trotzdem lebendig sinnliche Musik fern von jedem Klischee und jeder Beliebigkeit. Eine stille Sensation.radio magazin, Beat Blaser

Festes Tuch, fein gewoben. Inspiriert von heutiger Kunst und Lyrik geht der Saxophonist Saxophonist Christoph Gallio seit Jahren einen eigenen Weg, der sich durch abgezirkelte Melodien auszeichnet. Im Trio mit Daniel Studer und Marco Käppeli, spinnt er prägnante Materialideen fast bedächtig fort – frei, aber bestimmt. Die Musik besitzt Poesie und feinen Humor. Eine runde Kreation zum aufmerksamen Zuhören.radio magazin, Jürg Solothurnmann

Einmal mehr hat der Schweizer Sopran- und Altsaxophonist Christoph Gallio das Personal seines mittlerweile seit 15 Jahren bestehenden Trios DAY & TAXI ausgewechselt: jetzt bilden der Bassist Daniel Studer und der Filigranschlagzeuger Marco Käppeli die Rhythmusgruppe. Frische, neue Impulse verspricht sich der Bandleader davon. „Material“, in Gallios eigenen Label erschienen, ist im Dezember 2001 während der gleichen Aufnahmesession wie der CD-Vorgänger „Private“ entstanden, und wie er ist auch der Neuling an private Anlässe gebunden: die meisten Stücke sind musikalische Widmungen und Portraits von Freunden.

Auch auf „Material“ zeigt Gallio wieder, dass er dem Trioformat eine erstaunliche Gestaltungsvielfalt abzugewinnen versteht. Das liegt an der Verschiedenheit der behandelten Materialien: da gibt es Komponiertes und Improvisiertes, zarte, introspektive Lyrik und expressiv Ekstatisches, schroffe Kantigkeit und grazile melodische Linien. Vieles kommt leise und behutsam tastend daher, man hört förmlich die Verfertigung der musikalischen Gedanken beim Spielen. Weit eher Minimalist als Plaudertasche, versucht Gallio seine Musik aufs Wesentliche zu beschränken, Aussage so weit wie möglich zu verdichten, bis hin zu superkurzen auch auskomponierten Solominiaturen, mit manchmal nur hingetupften Umrissen, die, wie japanische Tuschzeichnungen, der Fantasie des Hörers viel Freiraum lassen. Die neue CD ist gegenüber den Vorgängern abstrakter geworden, hat ein wenig an swingender Sinnlichkeit eingebüsst.

Gallio scheint jetzt noch mehr Interesse an kontrapunktisch sich veschlingenden Linien zu haben, noch mehr Wert auf die Selbständigkeit der Bassstimme zu legen. Er meidet vordergründige Virtuosität und ist ein Melodiker par excellence, stets auf der Suche nach der „Ideallinie der Melodie“, entstünde diese nun kompositorisch oder improvisatorisch. Auch gehört er zu jenen eher abgeklärten Musikern, die nicht zwanghaft nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten, sondern eben nach dem adäquaten Ausdruck suchen. So entsteht eine ganz besondere Musik, Zuhörmusik im besten Sinne, stets spannend und mit einer prägnanten Physiognomie von hohem Wiedererkennungswert.JAZZPODIUM, Benno Barsch

Linernotes von Dominik Steiger zu DAY & TAXI

  • 1 eine zahl, die ich nie gehört; damit ist alles addiert.
  • 2 vermehr und meer finden zueinander; in ihrer umarmung findst du ruh.
  • a. wir plastiker drehen drei lehm. sehr zur spitze drücken wir die nase. da durch geatmet ziehen wir drei leben.
  • 3. am ende der strapaze geht im leichten anzug der hausherr des gedichts ausspazieren.
  • a. wär denken alteidelberg?
  • goethe – lethe – ausgang nach direktesheim.
  • 4. eine rare himmelserscheinung verhieß männer in massen die hirsch heissen.
  • a. in windungen zieht geschichte durch gewienerten dung. auf dem korbstuhl monarchides albersal; der am herz immer mastdarmordnung hält, sein zwarhäufchen in der tasche.
  • 5. bei den hohen hosentaschen raus guckt der kleine hosentaschendamokles nun.
  • 6. wir schenken dem geschehenen keinen gedankensohn.
  • 7. immer leiser geht klabund davon.
  • 8. mit gelben fier sohlen pirscht das geweihte männchen um die garage. drin singt die nachtigall den canto. persönchen persönlich erscheint im tor, öffnet
  • a. ziermenschen treiben die sachen auf die spitze.
  • 9. den großen trauer haben. den fuß im grauen kot. das wasser im herz mit der großen trauerforelle, das wort im maul großer fauler regenbogenforellen im herz.
  • a. neulich traf ich einen alten bekannten im kubus b.; seine kleider mit brotkruste manipuliert trat der kerl als prokrustes auf.
  • a. mit neuen praktiken vertraut betritt eine kosmisch gestimmte kunstfigur englischen boden bei hervorshire.
  • 10. aus alten schinken treten kleine superkühe vor, die maulen vielleicht französisch auf meiner arbeitsstelle “gosche”.
  • a. wir brüllen an die sonne. sie allein ehrt den schreihals, die mutter der solisten.
  • 11. unter dem höchsten händedruck verschwinden wir, wenn uns die mütter den kuchen bringen. wir fahren nur in hosen ohne farbe.
  • 12. ich weiß micht, wohin treten wir, wenn vor der nase plötzmich die gedanken zu ende gehn, dünn …
  • 13. in summa ergeben zehn särge etwas mehr als einen neuen mensch. der stückt sie an seinen gartenzaun, beschwört das gebirge aus särgen und – sie wenden den garten mit wurzeln nach oben.
  • a. immens rief der kalif, diese krache. etwas pizzeliges war nicht seine sache.
  • a. in lustiger ausgelassenheit zitter ein mensch in runzliger haut.

Dominik Steiger, Wien, Juli 2003